Fachartikel: Meine Einführung in die Welt des Aufschiebens

Fachartikel vom 20. April 2015
erschienen im LVZ-Magazin „Leipzig exklusiv“ Sommer 2015, Ausgabe 2

Aufschieberitis ist ein großes Thema, das mich schon seit längerem beschäftigt. Mein Ratgeber zur Volkskrankheit Nr. 1 kam als Resultat im September letzten Jahres auf den Markt – gesagt ist dazu für mich jedoch noch längst nicht alles. Für die Leser von „Leipzig Exklusiv“ möchte ich gern schildern, weshalb ich mich speziell diesem Thema widme und wie ich dazu gekommen bin.

IMG_1537Meine beruflichen Anfänge waren andere: Ursprünglich habe ich Brauer und Mälzer gelernt. Allerdings hat mir dabei eines gefehlt: mit Menschen zusammenzuarbeiten. Ich habe gemerkt, dass es mir mehr liegt, Menschen erfolgreicher und glücklicher zu machen, also habe ich meine berufliche Perspektive gewechselt. Natürlich hängen Erfolg und Glück nicht immer zusammen, haben aber viel miteinander zu tun.

Zur Aufschieberitis bin ich schlussendlich aus zwei verschiedenen Gründen gekommen. Zunächst weil ich – wie alle von uns, seien wir ehrlich – davon selbst betroffen war. Oft war mir dabei gar nicht klar, dass ich beruflich und privat Dinge aufschiebe. Das Bewusstsein kam bei mir erst drei bis vier Jahre später, als ich rückblickend feststellte: Warum hast du einige Aufgaben anderen vorgezogen? Warum schiebst du bestimmte Dinge immer wieder vor dir her?

Den zweiten Impuls, weshalb ich mich näher mit dem Thema beschäftigen wollte, gab mir der Sport. Ich habe viel mit Menschen im Sport zusammengearbeitet. Da ging es um Trainingspläne, Rehabilitation, Ab- oder Zunahme von Körpergewicht und die Steigerung der Leistungsfähigkeit. Schnell zeigte sich: Die meisten hatten Träume und Wünsche aber keine klaren Ziele vor Augen. Einen festen Plan, was sie wirklich wollen, den gab es nicht. Damit kommt man seiner Zielsetzung zwar gefühlt näher, aber die klare Linie fehlt und erschwert das konkrete Umsetzen. Deshalb habe ich mich gefragt: Woran liegt das, dass Menschen Ziele und Wünsche haben? Warum erreichen manche ihre Ziele nicht? Woran liegt es, dass wir bestimmte Dinge einfach aufschieben? Das regte mich zum Nachdenken an. Ist Aufschieben vielleicht sogar geschlechts- oder altersspezifisch? Kommt es vermehrt in bestimmten Branchen vor? Wie unterscheidet sich berufliche von privater Aufschieberitis? Dem wollte ich unbedingt auf den Grund gehen.

Wie äußert sich die Volkskrankheit Nr. 1?

Ganz klar: Bevorzugt schieben wir unliebsame Dinge auf, deren Durchführung wir als unangenehm empfinden. Unsere Alltagswelt konfrontiert uns täglich mit handfesten Beispielen, die ich Ihnen gern zeigen möchte – Sie werden sich garantiert in dem ein oder anderen wiedererkennen.

Berufswelt-Aufschieberitis

Nehmen wir zwei klassische Fälle der Aufschieberitis in der Berufswelt. Ein ganz großes Thema: Kundenakquise. Hier wird aufgeschoben, was das Zeug hält! Die Gründe dafür sind schnell gefunden. Wir scheuen uns vor dem Anruf, weil uns die Position des Ansprechpartners im Unternehmen beeindruckt oder seine langjährige Erfahrung einschüchtert. Und überhaupt: Warum anrufen, wenn man bei einer Mail doch seine Ruhe hat und sich über seine Worte im Vorhinein Gedanken machen kann? Seien Sie ehrlich: In der Zeit, in der Sie sich Ihre Ausreden schönreden, hätten Sie bereits mehrere Großkunden an Land ziehen können. Auch Führungskräfte sollten sich Ihre Aufschieberitis bewusst machen: Bei meinen Seminaren merke ich immer wieder, dass großer Handlungsbedarf besteht! Unliebsame Aufgabe hier: Mitarbeitergespräche. Auch hier kann sich die Führungskraft schnell herausreden, da es doch immer wichtigere Dinge zu erledigen gibt. Meist steckt die Angst dahinter, dass der Mitarbeiter einem tatsächlich die Meinung geigt und man sich mit seinen eigenen Fehlern konfrontiert sieht – erkennen Sie sich wieder?

Beziehungs-Aufschieberitis

In jeder Beziehung gibt es unliebsame Situationen, sei sie noch so harmonisch. Deshalb passiert es auch hier ganz schnell, dass Dinge immer wieder verschoben werden. Es gibt da etwas, das Sie an Ihrem Partner oder Partnerin stört? Wann haben Sie das zuletzt freundlich und bestimmt geäußert? Klarheit ist wichtig und hilft dabei, sich zu entwickeln. Nehmen Sie sich feste Zeiten für sachliche Aussprachen und scheuen Sie davor nicht zurück. Das mag jetzt etwas unromantisch klingen, aber probieren Sie es doch einfach mal aus. Ich denke, es wird Ihnen guttun! Für besonders hartnäckige Aufschieber: Stört Sie in Ihrer Beziehung ein ganz grundlegender Punkt und ändert sich nach mehrmaliger Aussprache daran noch immer nichts? Dann ist es an der Zeit sich einzugestehen, dass Sie sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Seien Sie mutig und wagen Sie den unvermeidbaren Schritt.

Aufschieberitis kennt kein Alter

Sie haben die Volkskrankheit Nr. 1 populär gemacht: die Studierenden. Für sie gibt es immer Wichtigeres, als das Verfassen von komplizierten Seminararbeiten (es sind ja noch 2 Tage Zeit) oder der Vorbereitung eines Referats. Vorher muss dringend noch die WG geputzt, oder besser grunderneuert werden. Endlich besucht man mal wieder die Oma etc. Ich habe genauer hingesehen und gemerkt: In Wahrheit kennt Aufschieberitis kein Alter. Sie denken, in Ihrer zukünftigen Zeit als Rentner werden Sie den Ruhestand genießen und ständig auf Reisen sein? Erinnern Sie sich später an dieses Vorhaben. An meinen Eltern sehe ich, wie sehr diese Zielsetzung immer mehr in den Hintergrund rückt. Den ganzen Tag ist so viel zu tun und abends sind sie „total erledigt“ von der Haus- oder Gartenarbeit – viel zu müde, um langwierige Reisen zu planen. Man weiß ja auch nie, was einem in fremden Ländern so erwartet … Auch das ist Aufschieberitis.

Wie gehe ich mit der Aufschieberitis um?

Prioritäten setzen.

Wenn Sie sich im privaten Bereich Prioritäten setzen, dann beachten Sie dabei auf jeden Fall: Es gibt nur Prio A und Prio B: Tun oder Nicht-Tun. Den Rest schieben Sie sowieso nur vor sich her. Überlegen Sie also, welche speziellen Punkte Sie schon ein halbes Jahr oder länger nicht angegangen sind und packen Sie diese To Dos in den Papierkorb – zur Umsetzung kommt es sicherlich eh nicht.

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